Östlich von Palermo erstreckt sich das Madonie-Gebirge als Abzweigung der sikulischen Apenninenkette in Fortsetzung der Monti Nebrodi über Ostsizilien bis zum Tyrrhenischen Meer. Es sind die höchsten Gipfel der Insel (Pizzo Carbonara, 1979 m), die dank ihrer frühen Entstehung im Trias von einer vielfältigen Landschaft charakterisiert sind: weiche Täler wechseln sich hier mit steilen Felsklippen ab, während satte Weiden auf sanften Hügeln von großflächigen, sonnenbestrahlten Buchenwäldern umgeben sind und anderswo wasserreiche Wildbäche durch ödes Land fließen. Der mildernde Einfluss des Meeres und der bedeutende Höhenunterschied sind die Voraussetzungen, die eine Einsiedlung von mehr als der Hälfte aller sizilianischen Vegetationsarten ermöglichten. Hier kann man auf nahezu 40.000 ha Gesamtfläche, sämtliche vom Aussterben bedrohte Pflanzen und Tiere antreffen, wie z. B. der Abies nebrodensis, die Tanne der Nebrodi-Berge, der Apollo-Schmetterling und vielleicht auch mal ein Exemplar des äußerst seltenen Bonelli-Adlers.
Bevor man in den eigentlichen Park gelangt, empfiehlt sich der Besuch der San Teodoro-Grotte. Die suggestive Höhle öffnet sich oberhalb von Acquedolci, am Fuße des Kalkvorsprungs Pizzo Castellaro, in dem einzigartige archäologische Funde aus dem oberen Paläolitikum entdeckt wurden (fast vollkommen erhaltene menschliche Skelette, Knochenreste von Nilpferden, Zwergelefanten, Bären, Wölfen und von anderen schon längst ausgestorbenen Tieren, außerdem Steinwerkzeuge guter Manufaktur).
Naturalistisch gesehen weist der kompakte Kalkblock endemische Felspflanzen auf, die hier extreme Bedingungen zum Überleben gefunden haben. Das meistverbreitete Exemplar ist die Euphorbia dendroides, eine Wolfsmilchvarietät, die sich am Felsenabhang ausbreitet und in der ersten Frühlingswärme mit unzähligen kleinen gelben Blüten der Landschaft eine belebende Farbnote schenkt. Daneben trifft man häufig auf Mastixbäume, Oleander und den Phillirea angustifolia. Weiter oben, in der Nähe des Friedhofs von San Fratello, führt ein kleiner Pfad auf den Berggipfel hinauf, von wo aus man einen zauberhaften Ausblick auf die Tyrrhenische Küste hat, von Capo d’Orlando nach Cefalù und auf die Liparischen Inseln. Hier kann man die Reste der antiken Stadt Apollonia besichtigen, einst wichtiges sikulisch-griechisch-römisches Zentrum, sowie die arabisch-normannische Wallfahrtskapelle der drei heiligen Brüder Alfio, Filadelfio und Cirino (XI-XII Jh.).